Warum ist es wichtig, dass Du Dein Ich verstehst?

Es wird jetzt ein bisschen Text brauchen, um in diese Frage einzutauchen. Aber sie ist für den Grad unserer Lebendigkeit und für die Verwirklichung unserer Potenziale bis hin zur Erleuchtung so elementar, dass ich Dich einladen möchte, Dir die Zeit zu nehmen und zu lesen.

 

Auch wenn hier sehr viele Worte zu lesen sind: in meinen Seminaren geht es vorrangig nicht um theoretisch-philosophische Betrachtungen, sondern um Erleben und Wahrnehmen auf der körperlichen und seelisch-geistigen Ebene!

 

Legen wir los....

 

 

Als erstes gilt es eines zu verstehen: Deine und meine Persönlichkeit, die Persönlichkeit Deiner Freunde und Partner, jedes Menschen gibt es nur im Singular als individuelles Gefühl. Dieses Gefühl sagt "Ich". Es klingt vielleicht seltsam, aber spür mal hinein, es ist tatsächlich so. "Ich" ist ein Gefühl!

 

Wenn Du gefragt wirst, wer Du bist, und Du antwortest mit Bezeichnungen Deines Berufes, Deiner Nationalität, Deines Alters, Deiner Hobbies etc., ohne dass Du viel dabei fühlst, oder indem Du dabei Gefühle der Trennung, Angst, Unsicherheit, des Stolzes, der Abwehr oder des Widerstandes empfindest, dann sagst Du nicht das Wesentliche über Dich. Deine Ego-Persönlichkeit ist in hohem Maße an diese Zuschreibungen und dieses Bild von Dir selbst gebunden. Bist Du in dieser Persönlichkeit verhaftet, fühlst Du eine damit verbundene Grundstimmung in Dir, aber Du weißt oft gar nicht so genau, warum Du Dich so fühlst.

In diesem Zustand kannst Du niemals mit Dir und der Welt in vollkommenem Frieden sein und Dich selbst in Deiner ganzen Kraft fühlen.

 

Ich habe folgendes Symbol gewählt, um die Situation zu veranschaulichen:

In spirituellen Traditionen steht der Kubus für die Welt. Da wir die Wirklichkeit an sich nicht wahrnehmen können, nicht im Sinne unseres Verstands als explizite und vollständige Beschreibung, sehen wir von der Welt aus der Perspektive der Ego-Persönlichkeit immer nur eine Projektion, eine selbst gemachte Beschreibung, die unser Geist auf die Wand "unseres Würfels" wirft (O). Aber das Gesagte kann auch von der anderen Seite betrachtet werden: das "O" ist auch das Fenster zur (geistigen) Welt, denn mit unserem Geist können wir Wirklichkeit erschaffen, und wie geräumig "unser Kubus", unsere Weltsicht ist, bestimmen wir selbst durch unsere geistige Ausrichtung.

 

Unser Ich (I) ist unglaublich wichtig und mächtig und bestimmt z.B. darüber, welche Identifikationen und Verhaftungen da sind, und auch wie bewusst wir unser Ich wahrnehmen und welche Möglichkeiten der Veränderung und Transformation unserer Wirklichkeit wir uns zugestehen.

 

Aber woher kommt dieses Ich-Gefühl? Ich möchte 5 wesentliche Aspekte des Ich's nennen, mit denen wir arbeiten können, und die wesentlich dafür sind, welches Ich-Gefühl wir erleben:  

1. Unser Verstand (...und "seine" Gefühle)

Wenn der Verstand in uns das Sagen hat - und dann sprechen wir vom Ego -, dann ist unser Ich nahezu vollständig auf unsere Persönlichkeit reduziert. Wir sehen nur die Umrisse unseres Würfels und die Projektionen, die unser Verstand aus dem allumfassenden Bewusstsein auswählt und an die Wand unseres Wahrnehmungsapparates wirft. Wir sind identifiziert mit unseren Vorlieben und Abneigungen. Wir glauben, uns und unsere Weltsicht schützen zu müssen. Unsere Gefühle und Gedanken sind reaktiv, kommen entweder aus der Vergangenheit oder sind, weil wir uns Dinge ausmalen können, Projektionen in die Zukunft. Die Gefühle haben deshalb nur bedingt mit dem gegenwärtigen Moment zu tun. 

Wir denken und fühlen in Gegensätzen, wir vergleichen, wir verlangen Beweise (die meistens mit unserem Weltbild kompatibel zu sein haben), andernfalls können wir nicht glauben, nicht einmal für möglich halten. Wir kennen Freud und Leid, sind aber vom Außen darin abhängig, wie es uns geht. Wir streben deshalb danach, uns die Welt so zurecht zu biegen, wie wir es uns wünschen, verbrauchen dabei aber viel Energie, fühlen uns oft im Kampf und bekommen vielfach das Gegenteil von dem, was wir wollen.

  

Auch wenn wir Erfolg haben und uns freuen, weil unser Leben gerade so ist, wie wir uns das vorstellen, gibt es etwas in uns, das leidet. Wir können das spüren, wenn wir feinfühlig sind. Wir leiden ganz subtil, weil unsere Freude von Bedingungen abhängig ist, und was da in uns leidet, ist unsere Seele.

2. Unsere Seele (...und "ihre Gefühle")

Die Seele spricht zu uns über nicht reaktive Gefühle und Eingebungen, spontanes Wissen, Intuition. Wenn wir unsere Seele respektieren und gut wahrnehmen können, erleben wir ein völlig anderes Ich-Gefühl. Wir empfinden uns viel stärker im Moment und erleben unsere Wahrnehmung als direkter und unmittelbarer. 

Es gibt Seelenanteile oder Ausdrucksmöglichkeiten unserer Seele, die vollkommen im Unbewussten liegen. Die Seele ist kein "Etwas", aber dennoch fühlen wir uns in ihr als ein einzigartiges Individuum. Wir erleben uns in starken Seelenzuständen sehr deutlich und beschreibbar, gleichzeitig ist da aber auch etwas, das wir nur erahnen können. Dieses Erahnen erleben wir als wertvoller und echter als alles, was wir als gesichertes Wissen über uns und die Welt empfinden.

 

Ohne wohlwollende Unterstützung der anderen Ich-Aspekte ist die Seele in unserer materiellen und polaren Welt vollkommen machtlos und handlungsunfähig. Wird sie aber gefragt, kann sie profunde Auskunft darüber geben, was jetzt wahr und richtig ist. Hören wir unserer Seele zu, können wir unbedingte Gefühle und Empfindungen erleben, tiefe Dankbarkeit und Freude, vollkommenen Frieden, bedingungslose Liebe.

 

Wie in unserem Würfel-Modell zu sehen, ist die Seele (x) im Zentrum unserer Wirklichkeit und direkt sowohl mit dem verstandesmäßigen Denken und unserer Persönlichkeit (I), als auch mit dem gesamten Sein, dem gesamten Kosmos verbunden (O). Deshalb ist die Seele formlos und fühlt sich trotzdem individuell an, deshalb erleben wir unter der Vorherrschaft der Seele ein so starkes Gefühl von Nicht-Getrenntheit bei gleichzeitig starkem Ich-Gefühl.

  

Dominiert unser Verstand und damit unsere Persönlichkeit, kann unsere Seele nicht in ihre volle Blüte gelangen. Statt vollständig im Moment zu leben, fühlen wir uns als geschichtliches und getrenntes Ich, also verortet in Zeit und Raum und den Bedingtheiten der polaren materiellen Welt unterworfen. Wir leiden unter der Sehnsucht der Seele nach Freiheit und Ganzheit und sind im Konflikt, weil die dominierende Persönlichkeit genau vor diesen Dingen Angst hat.

3. Unser Bewusstsein (...und "seine Gefühle")

Eine weitere "Funktion", die unser Ich-Gefühl prägt, ist das Bewusstsein. Die Anführungszeichen stehen dafür, dass die Vorstellung von Bewusstsein als eine Funktion schon aus dem Verstand stammt, und wir immanent Schwierigkeiten haben, Bewusstsein mit Sprache zu beschreiben.

Buddha ist sehr stark den Weg über das Bewusstsein gegangen, während Jesus dem Weg des Herzens, dem Weg der Seele gefolgt ist. Auch das beobachtende Bewusstsein lässt uns unser formloses Ich erleben, schlussendlich als vollständiges Eingehen ins Sein (Nirwana). So geht der Buddhismus den Weg der Auflösung des Karma und damit schlussendlich der Individualität. 

Nimmt man Buddha und Jesus gleich ernst, gibt es dann zwei unterschiedliche letztendliche Wirklichkeiten? Es hört sich doch widersprüchlich an, Seele und zugleich Bewusstsein zu sein. Wir sind hier gefangen in den Denkweisen unseres Verstandes, nach denen nur das eine oder das andere wahr sein kann. Aber wir können uns das auch wie in der Quantenphysik vorstellen, in der es den Welle-Teilchen-Dualismus gibt: Seele und Bewusstsein sind beide formlose geistige Aspekte unseres Seins und als solche wie die beiden Seiten einer Medaille, einer Wirklichkeit.

 

Das Bewusstsein dämpft das individuelle Streben, Wünschen, Sehnen und alle damit verbundenen Gefühle: die Liebe, die Freude, die Dankbarkeit, der Mut, die Verehrung werden dadurch kühler und klarer. Buddha hat diesen Vorgang als den Weg der Mitte beschrieben und wie kein anderer spiritueller Meister hat er den Gleichmut und das Sosein der Dinge ins Zentrum seiner Lehre gestellt.

 

Wenn wir uns im Bewusstsein verankern und hierauf unseren geistigen Fokus legen, sehen wir die Dinge klarer, so wie sie sind. Wir lösen uns von persönlichen Wünschen und Zielen. Wir schauen gleichmütig auf unsere Welt im Innen und im Außen, ohne an irgend etwas davon verhaftet zu sein. Wir lösen uns schließlich vollständig in unserer Wahrnehmung auf und gehen ein ins Ganze.

  

Das Bewusstsein ist wichtig, um überhaupt wahrzunehmen und zu erkennen. Erkennen ist wahrnehmendes Verstehen. Verstehen ist wichtig, um Entscheidungen zu treffen, um sich zu fokussieren und auszurichten. Die Seelenqualität liefert uns Antrieb und Motivation für das Wahrnehmen und Entscheiden, das Bewusstsein ermöglicht uns das Verstehen und Erkennen dadurch, dass es keine persönlichen Motive gibt, die den Blick trüben.

4. Unser Wille (...und "seine Gefühle")

Der menschliche Wille spielt in der Spiritualität eine schillernde Rolle. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Dominanz unseres Ego-Willens leidvolle Folgen haben kann (Menschheitsgeschichte!), und uns der Zugang zum "höheren Willen" in uns oft fehlt. Jesus sprach vom göttlichen Willen, dem wir uns vollständig hingeben ("dein Wille geschehe").  

Ganz neutral betrachtet, ist der Wille essentiell, damit wir uns auf etwas ausrichten können, um Ziele und die Richtung in unserem Leben bestimmen und dafür die notwendigen Entscheidungen treffen zu können. Wenn wir ganz in unserem Ego-Willen verhaftet sind, sind wir vollständig identifiziert mit unseren Sichtweisen und gefangen in unserer Persönlichkeit, wie in dem Würfel-Modell oben gezeigt.

 

Der persönliche Wille ist aber auch erforderlich, um dem Verstand die Macht aus der Hand zu nehmen und ihn den Impulsen der Seele unterzuordnen. Wenn wir es geschafft haben, dass die Seele führt und der Verstand ihr treuester Mitarbeiter wird (und das ist ein freiwilliger Akt), haben wir eine Situation, die zur Befreiung und zur Verwirklichung führen kann. Der persönliche Wille gibt sich hin, indem wir lernen, nach innen zu lauschen zu den Botschaften unserer Seele, diesen zu vertrauen und danach unsere Entscheidungen zu treffen und zu handeln.

  

Wenn in dieser Weise Seele und Verstand mit Hilfe unseres Willens eine Einheit bilden, können wir die Wirklichkeit in uns und in unserem äußeren Leben verändern und bedingungslos lieben und glücklich sein.

5. Unser Körper (...und "seine Gefühle und Empfindungen")

Der Körper ist die Bühne für unsere Gefühle und Empfindungen. Hellsichtige bzw. hellfühlige Menschen können wahrnehmen, dass wir über unseren physischen Körper hinaus noch weitere Körper haben, in die z.B. die höheren Gefühle auch hinausreichen. Es ist aber nicht so wichtig, ob Du das sehen kannst oder nicht.  

Schlussendlich geht es auf dem Weg in das Erwachen auf dieser körperlichen Ebene um das sensibler werden und die Verfeinerung der Wahrnehmung nach innen im Bereich unserer Gefühle und Empfindungen. Um dies zu erreichen, sind Ausrichten und Ahnen von wesentlicher Bedeutung. Durch das Ausrichten stellen wir uns bildlich gesprochen auf den Frequenzbereich der höheren Wahrnehmungen ein, durch das Ahnen greifen wir Spuren auf und können unsere Wahrnehmung auf das Gespürte abstimmen.

 

Es ist wesentlich, dass wir den "Würgegriff" des Verstandes auf unser sprachliches und bildliches Denken und Wahrnehmen lockern.

  

Deswegen bestehen meine Seminare neben der sprachlichen Kommunikation zu einem ganz wesentlichen Teil aus nonverbalem Wahrnehmen sowie Körper- und Partnerübungen. Wichtig ist aber auch, dass wir unsere Erlebnisse auf der nichtsprachlichen Ebene in Sprache auszudrücken lernen, schlussendlich auch beim Sprechen unser formloses tieferes Sein hineinfließen lassen können in unsere verbale Kommunikation. Frei und ungezwungen zu werden auf der Ebene der Gefühle und Emotionen sind die Früchte, die wir bei diesem Üben ernten können!

  Paradoxie des Verstehens

Gerade was die Benutzung des sprachlichen Denkens angeht, befinden wir uns hier in einer paradoxen Situation. Nichts ist so sehr mit unserem bedingten Verstand mit seiner logisch-sequentiellen Denkweise verknüpft wie das Sprechen. Andererseits sind wir auf Sprache angewiesen, wenn wir unsere Erlebnisse mitteilen wollen, auch wenn die Worte in anderen Menschen niemals das gleiche Empfinden und innere Verstehen auslösen wie in uns.

 

Das beste Beispiel ist diese wortreiche Seite, die wesentliche Aspekte unseres Ich's und unserer Wahrnehmung  durch die Verwendung und Verbindung sprachlicher Begriffe erklärbar zu machen versucht. Eigentlich geht das gar nicht, denn mit Sprache kann das, was verstanden werden soll, nicht erklärt werden, insbesondere nicht durch logisches Zusammensetzen von Begriffen und Schaffung von sprachlich-bildlichen Modellen.

 

Wenn wir uns aber emotional und seelisch-geistig öffnen, kann die tiefere Bedeutung durch die verwendete Sprache hindurchscheinen wie Licht durch das Mosaik eines Kirchenfensters. Vor allem eine sehr bildhafte und poetische Sprache kann diese hintergründige Bedeutung am besten übermitteln. Wir sind beim Umgang mit Sprache auf der richtigen Spur, wenn wir das Gefühl haben, dass die Worte durch uns durchfließen, dass sie unmittelbar geschehen statt von uns durch Denken gebildet werden. Als Wahrnehmende ist es wichtig, dass wir uns öffnen und uns zugestehen, wieder staunen und ahnen zu dürfen, so als entdeckten wir die Welt zum ersten Mal. Wollen wir zur Weisheit und zum Erwachen vordringen, ist unser Ahnen von viel größerem Wert als alles vorhandene und jemals erlangbare "gesicherte Wissen".

 

Zur spirituellen Reifung gehört deshalb auch, der eigenen Sprache die Poesie und Transzendenz zurück zu geben und zu lernen, sich selbst wieder bedeutungsvoll ausdrücken zu lernen. Auch dafür sind meine Seminare ein mir sehr wichtiger Übungsraum.

 

Ich werde mich in den restlichen Rubriken dieser Webseite, besonders in meinen Blog-Artikeln und Videos, darum bemühen, wo immer es geht anstelle einer deskriptiv-erklärenden eine poetische und liebende Sprache zu benutzen.....